Nach der Erstversorgung ist nun langfristige psychosoziale Hilfe wichtig
Durch die Naturkatastrophe wurden in Rheinland-Pfalz 766 Menschen verletzt und tausende Menschen traumatisiert. Gleichzeitig wurden Teile der örtlichen medizinischen Versorgung zerstört oder beschädigt.
Psychosoziale Hilfsangebote
Einsatzkräfte der psychosozialen Notfallversorgung waren in den ersten Wochen unter der Leitung der Beratungs- und Koordinierungsstelle Psychosoziale Notfallversorgung des Landes in den betroffenen Orten tätig. Darüber hinaus hat das Land Rheinland-Pfalz verschiedene Hilfsangebote auf den Weg gebracht, um Betroffene bei der Verarbeitung über einen längeren Zeitraum zu unterstützen.
Dazu zählen Telefonhotlines zur direkten psychosozialen Unterstützung sowie zur schnellen Vermittlung von Traumatherapie-Plätzen. Der Opferbeauftragte des Landes Rheinland-Pfalz, Detlef Placzek, hat zudem eine ständige Vertreterin in die Ahr-Region entsandt. Diese bietet Sprechstunden in ihrem Büro in Bad Neuenahr-Ahrweiler sowie in unterschiedlichen Gemeinden des Ahrtals an. Dabei erhalten Bürgerinnen und Bürger Unterstützung bei Fragen bezüglich des Wiederaufbaus, bei Verwaltungsfragen, zu zeitnaher psychosozialer Versorgung oder anderweitigen Problemen. Für Einsatzkräfte und Katastrophenschutzeinheiten stehen nach wie vor die Angebote der Beratungs- und Koordinierungsstelle in erweitertem Umfang zur Verfügung.
Am 3. November 2021 unterzeichnete das Land Rheinland-Pfalz mit dem Kreis Ahrweiler und dem Hospiz-Verein Rhein-Ahr, der Dr. von Ehrenwall’schen Klinik und der DRK-Fachklinik Bad Neuenahr eine Kooperationsvereinbarung zur Bildung eines regionalen Trauma-Netzwerks. In dessen Rahmen sollen die Bedarfe in der psychosozialen Versorgung erfasst und Angebote bedarfsorientiert entwickelt werden. Das Land Rheinland-Pfalz unterstützt diese Zusammenarbeit bis zum Jahr 2023 mit 183.000 Euro.
Anfang Dezember 2021 öffnete das Traumahilfezentrum in Grafschaft-Lantershofen. Ein interdisziplinäres Team bietet dort offene Cafés und Sprechstunden für Menschen aller Altersgruppen mit psychischen oder psychosozialen Problemen an. Das Land finanziert dessen Arbeit zunächst für drei Jahre mit 760.000 Euro. Neben den Betroffenen richtet sich das kostenfreie Angebot des Zentrums auch an Helferinnen und Helfer. Zusätzlich gibt es ein mobiles Angebot.
Viele Menschen, die die Hochwasserkatastrophe erlebt haben oder auch als Ersthelfer:innen sofort zur Unterstützung anreisten, leiden immer noch unter einem erhöhten Stresserleben, Anspannung oder Ängsten. Diesen Menschen bietet das Netzwerk „Soforthilfe Psyche“ weiterhin Hilfe und Unterstützung an. Das Angebot richtet sich an Menschen aller Altersgruppen, die von der Flut betroffen waren. Dies gilt explizit auch für Helferinnen und Helfer vor Ort. In einem Flyer gibt das Netzwerk Informationen über Hilfen für Erwachsene und in einem weiteren über Hilfen für Kinder und Jugendliche.
Im Januar 2022 startete ein Projekt moderierter Gruppen an zehn Standorten im Ahrtal und in weiteren von der Naturkatastrophe betroffenen Regionen. Umgesetzt wurde das mittel- und langfristige Nachsorgekonzept in Kooperation mit dem Paritätischen Wohlfahrtsverband, den Selbsthilfekontaktstellen Westerwälder Kontakt- und Informationsstelle für Selbsthilfe und der Selbsthilfe Kontakt- und Informationsstelle Trier.
Zahlreiche Kinder und Jugendliche haben Traumatisches erlebt. Daher wurde der Schulstart im Ahrtal schulpsychologisch begleitet. Im Schulpsychologischen Beratungszentrum Mayen werden zudem die Anfragen aus der stark betroffenen Region zusammengeführt und der weitere Einsatz der Schulpsychologinnen und Schulpsychologen koordiniert. Außerdem fördert das Land die Durchführung von bis zu 200 Psychoedukationsgruppen für alle Altersgruppen und Fortbildungsgruppen durch das psychotherapeutische Netzwerk „Soforthilfe Psyche“ in Kooperation mit der Landespsychotherapeutenkammer.
Medizinische Versorgung
Fünf Krankenhäuser und zwei Rehakliniken wurden durch die Naturkatastrophe in Mitleidenschaft gezogen. Sie werden – ausgenommen das stark beschädigte Krankenhaus in Trier-Ehrang – wieder instandgesetzt. Das Land Rheinland-Pfalz unterstützt den Wiederaufbau der betroffenen Kliniken. So wurde der Dr. von Ehrenwall’schen Klinik, dem Gefäßzentrum Dr. Bauer und der DRK-Fachklinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie in Bad Neuenahr-Ahrweiler ein vorläufiger finanzieller Ausgleich der voraussichtlichen Einkommenseinbußen in Höhe von insgesamt 7,3 Millionen Euro bewilligt. Das Land befindet sich in einem engen Austausch mit den Trägern, um die weiteren Maßnahmen zu besprechen.
Es wurden insgesamt 36 Arztpraxen, überwiegend im Landkreis Ahrweiler, vollständig zerstört. 23 ärztliche Praxen waren nur noch teilweise funktionsfähig. In den ersten Wochen wurde die medizinische Grund- und Medikamentenversorgung unter anderem durch den Einsatz mobiler Arztpraxen sichergestellt. Betroffene Ärztinnen und Ärzte konnten aus dem Soforthilfeprogramm des Landes Rheinland-Pfalz Unterstützung erhalten.
Über diese Soforthilfe hinaus konnten und können betroffene Ärztinnen und Ärzte aus dem Wiederaufbauprogramm für die Unternehmen Gelder
für den Wiederaufbau beantragen. Zudem haben Landesärztekammer und Kassenärztliche Vereinigung Spenden gesammelt, um betroffenen Praxen zu helfen. Allein der Spendenaufruf der Kassenärztlichen Vereinigung Rheinland-Pfalz erbrachte rund 550.000 Euro. Hieraus erhielten zerstörte Praxen jeweils 10.000 Euro und teilweise zerstörte Praxen jeweils 5.000 Euro. Die Kassenärztliche Vereinigung Rheinland-Pfalz hat über Abschlagszahlungen die individuelle Liquidität der von der Naturkatastrophe betroffenen Praxen sichergestellt. Bei Praxen, die ihre Abrechnung nicht erstellen konnten, da die Aufzeichnungen zerstört wurden, war eine Honorarermittlung als Schätzung möglich.
Auch Apotheken waren von der Naturkatastrophe betroffen. Vielfach nutzen sie noch Container, während die Baumaßnahmen laufen. Hierzu stehen die finanziellen Aufbauhilfen zur Verfügung.
Einrichtungen der Pflege und Eingliederungshilfe
Von Evakuierungsmaßnahmen durch die Naturkatastrophe waren 19 Einrichtungen der Pflege (davon 15 im Kreis Ahrweiler) in einem unterschiedlichen Ausmaß betroffen.
300 Bewohnerinnen und Bewohner aus evakuierten Pflegeeinrichtungen und 225 Menschen aus eigener Häuslichkeit mussten vorübergehend auf 79 andere rheinland-pfälzische Pflegeeinrichtungen verteilt werden. Weitere Bewohnerinnen und Bewohner wurden in Schwestereinrichtungen in Nordrhein-Westfalen verlegt.
Sechs Einrichtungen der Eingliederungshilfe waren von der Naturkatastrophe betroffen, vier Wohnangebote mussten evakuiert werden.
Einige Immobilien sind so stark zerstört, dass umfängliche Sanierungen notwendig sind und daher eine Rückkehr bislang nicht möglich ist. Mit Stand Dezember 2021 sind noch sieben Einrichtungen der Pflege und zwei Wohnangebote der Eingliederungshilfe von den Folgen der Naturkatastrophe betroffen. Die Bewohnerinnen und Bewohner befinden sich in Ersatzunterkünften.
Ebenfalls schwer betroffen sind die Werkstatt für behinderte Menschen und die Tagesförderstätte in Sinzig sowie das Gemeindepsychiatrische Zen- trum in Bad Neuenahr-Ahrweiler mit Tagesstätte und ambulantem Dienst. Für alle Angebote bestehen Übergangslösungen.
In Zusammenarbeit der Beratungs- und Prüfbehörde nach dem Landesgesetz über Wohnformen und Teilhabe (LWTG) des MASTD mit der ADD und dem DRK wurde in der Region Ahrweiler eine eigene Verbindungsstelle „EGH, Pflege, Betreuung“ eingerichtet. Diese Einheit dient vor Ort als Ansprechpartner und bietet Hilfen an. Mit den Pflegestützpunkten in der Region wurde ein Fachaustausch zur ambulanten Versorgung organisiert.
Der Pflegepool der Pflegekammer wurde reaktiviert. Einrichtungen, aber auch ambulante Dienste konnten hier bei dringendem Bedarf Personal anfragen.
Impfaktionen und Corona-Bekämpfung
Direkt nach der Katastrophe wurden den Betroffenen sowie Helferinnen und Helfern Impfangebote für Covid-19, Tetanus und Hepatitis unterbreitet. Den Betroffenen sowie den vielen freiwilligen Helferinnen und Helfern wurde durch einen Impfbus am Bahnhof in Ahrweiler, durch mobile Teams sowie bei Sonderimpfaktionen die Corona-Schutzimpfung angeboten. Mehrere Impfbusse machten an insgesamt 33 Standorten Halt.
Darüber hinaus wurde die Einrichtung einer stationären Impfstelle in Adenau unterstützt. Neben diesen Angeboten impfen 22 Hausarztpraxen im Bereich des Ahrtals.
Die Corona-Schutzmaßnahmen wurden in den Versorgungszelten jederzeit entsprechend der Corona-Pandemie angepasst.
(Stand: Januar 2022)