Auf der improvisierten Werkbank liegt ein Bündel Stroh, daneben steht ein Eimer mit Lehm. Caro fächert das Stroh auf, reibt den Lehm ein und wickelt dann sorgsam ein altes Holzbrett in das Stroh-Lehm-Bett ein, bis sich alles miteinander verbindet. Dann nimmt sie ihr Werkstück und passt es zwischen zwei Holzträger ein. So entsteht über Stunden ein Fach der alten Holzdecke in der ehemaligen Synagoge in Dernau. Es ist eines von vielen historischen Gebäuden, das von der Naturkatastrophe im Juli 2021 schwer beschädigt wurde. Und Caro ist eine von 314 jungen Frauen und Männern zwischen 17 und 30 Jahre aus dem Fluthilfecamp der Jugendbauhütten der Deutschen Stiftung Denkmalpflege (DSD). Sie haben in den vergangenen Tagen den Wiederaufbau von historischen Bauwerken im Ahrtal ehrenamtlich unterstützt.
Bei mehr als 500 historischen Gebäuden und Bauwerken im Ahrtal fördert die Stiftung Denkmalpflege der Sanierung, wie Vorstandsmitglied Steffen Skudelny erklärt. Während des Fluthilfecamps 2023 waren die Jugendlichen an 17 beschädigten Gebäuden im Einsatz. Privathäuser fanden sich darunter ebenso wie der Bahnhof in Mayschoß oder die Stadtmauer in Ahrweiler.
Koordiniert wurde das Projekt von Laura Haverkamp, Mitarbeiterin der Stiftung Denkmalschutz. Ausgesucht wurden solche Projekte, wo es auch nach dem Camp weitergeht; etwa durch den Verein Historisches Ahrtal oder das Mobile Team Fluthilfe der DSD, das in der Region seit 2021 dauerhaft im Einsatz ist.
Die Teilnehmer des Fluthilfecamps waren aktive und ehemalige Teilnehmer des Freiwilligen Sozialen Jahres in der Denkmalpflege und kamen aus den 16 Jugendbauhütten der Deutschen Stiftung Denkmalschutz (DSD). Selina, Lina und Caro kennen sich von der Jugendbauhütte Hessen in Marburg. „Ich wollte schon im vergangenen Jahr kommen, das hat aber dann leider nicht geklappt. Ich bin froh, dass ich jetzt einen Beitrag leisten kann zum Wiederaufbau. Und zudem lerne ich hier alte Bautechniken kennen und kann sie praktisch anwenden. Wo kann man das sonst?“, sagt die angehende Bauingenieurin. Angeleitet werden die jungen Menschen dabei von erfahrenen Zimmermännern, Maurern und Restauratoren, die sich noch mit den alten Techniken auskennen. Und die sind begeistert, mit welchem Engagement und Geschick die Helfer aus ganz Deutschland zu Werke gehen.
Dass die Arbeiten immer auch mit Geschichten verbunden sind, zeigt sich am Haus, wo Selina, Lina und Caro in Dernau arbeiten. Das war von außen überhaupt nicht als historisches Bauwerk zu erkennen. Zu oft wurden es in den vergangenen Jahrzehnten und Jahrhunderten umgebaut. Erst die Flut schwemmte die Bausubstanz an die Oberfläche, mit einem Schatz in der zweiten Etage: einer sogenannten „Kölner Decke“– typisch für Gebetshäuser der Juden in den vergangenen Jahrhunderten. Mittlerweile weiß man, dass es eines der ältesten Gebäude in der Weinbaugemeinde Dernau ist. Erst war der Abriss geplant, jetzt wird es von Grund auf saniert. Sehr zur Freude der alten Dame, der das Haus gehört und in dem sie ihr Leben lang gewohnt hat. Mehr als einmal hat sie Tränen der Freude über das Engagement der Stiftung Denkmalpflege und der jungen Helfer vergossen.
„Das, was in diesen 14 Tagen auf den Baustellen bewegt wurde, übertrifft unsere Erwartungen“, zieht Steffen Skudelny vom Vorstand der DSD zum Abschluss des Fluthilfecamps Bilanz. „Nicht nur das schnelle Vorankommen, auch die Qualität der Arbeiten ist sensationell. Zumal die von erfahrenen Fachleuten angeleiteten Freiwilligen oft erstmals in diesen Gewerken tätig waren.“
Auch Nicole Steingaß hat das soziale Engagement bei meinem Besuch in Dernau begeistert, die Leidenschaft der jungen Menschen, aktiv und uneigennützig zur Erhaltung und zum Wiederaufbau unseres kulturellen Erbes beizutragen. „Die Restaurierung der historischen Gebäude stärkt das Heimatgefühl der Menschen im Ahrtal“, sagte sie. „Beim Wiederaufbau dürfen wir nicht nur den technischen Bau von neuen Brücken, Straßen und Gebäuden sehen. Das Tal braucht auch seine Ankerpunkte aus der Geschichte. Und schließlich machen die historischen Fachwerkhäuser einen der vielen besonderen Reize des Ahrtals für dessen Besucher aus.“